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Bezirksregierung Münster

Domplatz 1-3

48143 Münster

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich schreibe Ihnen, weil Sie als Anhörungsbehörde im Auftrag des Verkehrsministeriums NRW das Anhörungsverfahren betreffend die geplante Startbahnverlängerung am FMO auf 3.600 m durchgeführt haben.

In diesem Verfahren habe ich Einwände erhoben, und zwar unter anderem wegen der drohenden unzumutbaren und meine Gesundheit gefährdenden Zunahme des Fluglärms, insbesondere des Nachtfluglärms. Ich habe mich dagegen gewendet, dass in den lärmphysikalischen und lärmmedizinischen Gutachten der FMO-Gutachter Dr. Wölk und Prof. Dr. Jansen die Gefahren für meine Gesundheit heruntergespielt werden. Die Gutachten sind meines Erachtens fehlerhaft und wissenschaftlich nicht haltbar.

Ich beziehe mich dabei unter anderem auf einen Aufsatz zum Thema " 19 x 99 Dezibel (A) - Ein gesicherter Befund der Lärmwirkungsforschung ?", den die Autoren C. Maschke, K. Hecht, U. Wolf und J. Feldmann im Bundesgesundheitsblatt Heft 2 2001 S. 137 ff veröffentlicht haben. Darin nehmen die Autoren kritisch zu den von Prof. Jansen für den Tagfluglärm als maßgeblich angesehenen Grenzwert von 19 x 99 dB(A) Stellung. Die Publikation bezieht sich auf eine gutachterliche Stellungnahme, die die Autoren für das Ministerium Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Brandenburg erstellt haben. Die kritische Überprüfung der genannten Kriterien wurde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für den Flughafen Berlin/Brandenburg International anhand der von Jansen vorgelegten Begründung sowie der angegebenen Originalliteratur vorgenommen.

Die Autoren zeigen in dem Aufsatz auf, dass das von Jansen gefunden Ergebnis wissenschaftlich nicht haltbar ist. In der Zusammenfassung führen Sie aus:

"Das "Übersteuerungskriterium" von 19x99 dB(A), das von seinem Begründer Gerd Jansen als gesicherte Erkenntnis der Lärmwirkungsforschung bezeichnet wird und vielfach zur Festlegung von "Lärmbelastungsgebieten" für den wachen Menschen herangezogen wurde, ist durch eine fehlerhafte physikalisch-mathematische Datenaufbereitung entstanden. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Revision der Originalliteratur. Basierend auf den von Jansen 1967 durchgeführten Laboruntersuchungen, ergibt sich bei physikalisch korrektem Vorgehen eine "vegitative Übersteuerung" für breitbandige Geräusche von Leq, 30s = 88-89 dB(A) und nicht ab Pegeln von 99 dB(A). Bis zum Vorliegen überlegener wissenschaftlicher Erkenntnisse sollte daher für den wachen Menschen diese korrigierte "Übersteuerungsgrenze" zur Prävention akuter Fehlregulationen herangezogen werden. Jede Veränderung der "Übersteuerungsgrenze" wirkt sich auch auf die Anzahl der bisher 19 zulässigen Überschreitungen aus. Die im Rahmen der Revision durchgeführten neuen Berechnungen führen zwar formal auf eine Anzahl von 36 zulässigen Übersteuerungen und damit auf ein korrigiertes "Übersteuerungskriterium" von "36x88 dB(A)", das Ergebnis bleibt aber letztlich unbefriedigend, weil der methodische Ansatz der von Jansen zur Bestimmung der zulässigen Übersteuerungen gewählt wurde, keinen ausreichenden präventivmedizinischen Schutz bietet. Die Anwendung des Übersteuerungskriteriums von "19x99 dB(A)" führt zu einer erheblichen Unterschätzung der Gesundheitsgefahren durch Fluglärm und ist zur präventivmedizinischen Festlegung von Lärmbelastungsgebieten nicht geeignet."

 

Abschließend weisen die Autoren auf folgendes hin:

 

"Präventivmedizinische Maßnahmen müssen sich daher an den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren, die zur Zeit der Entscheidung die größte wissenschaftliche Aussagekraft besitzen. Das beharrliche Festhalten an früheren Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung kann, wie im Fall des hier diskutierten Übersteuerungskriteriums von "19x99 dB(A)" zu wissenschaftlich unverantwortlichen Resultaten bezüglich der Notwendigkeit von Schallschutzmaßnahmen führen."

Prof. Jansen hat im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens betr. die Startbahnverlängerung am FMO im Auftrag der FMO-GmbH das lärmmedizinischen Gutachten erstellt. Ich habe bereits bisher in meinen Einwendungen deutlich gemacht, dass ich die lärmphysikalischen und lärmmedizinischen Gutachten von Dr. Wölk und Prof. Dr. Jansen für falsch halte und deshalb die Einholung eines Gutachtens von fachkundigen, unabhängigen Gutachten beantragt. Diesen Antrag wiederhole ich hiermit ausdrücklich.

Bei den nachweisbar nicht haltbaren wissenschaftlichen Thesen von Prof. Jansen dürfen Sie bzw. das entscheidungsbefugte Landesverkehrsministerium sich nicht mehr "blind" an den sogenannten Jansen-Kriterien bei dem geplanten Planfeststellungsbeschluß festhalten. Dies würde zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit der Planfeststellungsentscheidung führen.

Ich beantrage hiermit außerdem, dass Sie sich beim Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Brandenburg die vollständige gutachterliche Stellungnahme besorgen. Ich gehe davon aus, dass die Autoren bezüglich der von Jansen für den Nachtfluglärm entwickelten Kriterien von 6x60 dB(A) ebenfalls wissenschaftliche Fehler des Prof. Jansen nachgewiesen haben. Die Autoren kündigen in dem Artikel bereits an, dass dem o.a. ersten Aufsatz ein zweiter Artikel zum von Jansen angegebenen Kriterium zur Vermeidung lärmbedingter Schlafstörungen folgen wird. Wann dieser zweite Aufsatz veröffentlicht wird, ist jedoch zur Zeit nicht absehbar.

Den o.a. Aufsatz habe ich nicht in Kopie als Anlage beigefügt, weil er Ihnen bereits mehrfach zugesandt worden ist, und zwar u.a. durch die Herren Hans-Joachim Leuschner, Greven, Ludger Schulze Temming, Greven, und Hans Schüttler, ebenfalls Greven.

Abschließend weise ich darauf hin, dass die Bundesvereinigung gegen den Fluglärm auf ihrer Homepage www.fluglaerm.de eine Übersicht veröffentlicht hat, aus der sich ergibt, dass Prof. Jansen bei seinen Kriterien für die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Fluglärms in der Fachwelt als Außenseitermeinung einzustufen ist. Ich bitte Sie, auch diese Übersicht und die entsprechenden Ausführungen der Bundesvereinigung gegen den Fluglärm zum Thema der Gesundheitsgefährdung durch Fluglärm bei der zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen.

Sehr geehrte Damen und Herren, falls Sie das Anhörungsverfahren mit der entsprechenden Aufbereitung für das Landesverkehrsministerium inzwischen abgeschlossen und die Unterlagen dem Verkehrsministerium zur Entscheidung vorgelegt haben, bitte ich Sie, dieses Schreiben möglichst umgehend an das Verkehrsministerium weiter zu leiten, damit dieses auch diesen die bisherigen Einwände ergänzenden Einwand berücksichtigt. Dieser Einwand ist nicht verspätet, da es sich um eine neue wissenschaftliche Erkenntnis handelt. Im übrigen müssen Sie bzw. das Verkehrsministerium die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse ohnehin von Amts wegen berücksichtigen.

 

Mit freundlichen Grüßen